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Ein Stück lebendige Burggeschichte von Josef Keppler

Thüringische Landeszeitung vom 28. Oktober 2020

Burg Hanstein

Burganlage am westlichen Eichsfeldrand als wichtiges strategisches Objekt. Der mächtige, als späterer Stadtrechteverleiher für Heiligenstadt bekannte Erzbischof Siegfried II. bedrängte Kaiser Otto IV. so, dass dieser den Hanstein im November 1209 an Mainz abtrat. Als Burgmannen setzte der geistliche und Landesherr hier nun Lehnsleute ein, die das Eichsfeld bereits als seine Vicedomini vom Rusteberg aus verwaltet hatten.
      Nach gut 230 Jahren hatte der aus Holz bestehende Oberbau der zweiten Burg einen bedenklichen Zustand erreicht, so dass ein Neubau nötig war. Da der Mainzer Erzstift nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügte, schloss Kurfürst und Erzbischof Peter von Aspelt am 4. Oktober 1308 mit den Brüdern Heinrich und Lippold von Hanstein einen Vertrag zum Burgneubau auf deren Kosten mit dem Recht, hier für immer Amtleute und Burgmänner zu bleiben.
      Mit dem Bau dieser dritten Burg wurde ohne Zeitverzug begonnen, wobei der heutige Nordturm als Teil der Vorgängerburg wohl erhalten werden konnte. Dennoch dauerte es annährend 200 Jahre, bis sie vollendet war, wie Steinmetzzeichen und gravierte Jahreszahlen von 1414 bis 1537 erkennen lassen.

Angreifer und Belagerer kamen auch aus Mühlhausen und Nordhausen

Achtunggebietend erhob sich die beeindruckende, trutzige Feste mit drei Türmen und fünf Burgtoren hinter meterdicken Mauerwerk über dem Werratal, Freunden des Landesherren Sicherheit verheißend, aber Warnung und Kampfbereitschaft für Feinde signalisierend. Letztere gab es in nicht unerheblichem Maße. Beweiskräftige Urkunden wie auch romantisierende Erzählungen künden von Fehden und Belagerungen, in denen zeitweilige Feinde als Angreifer und Belagerer genannt werden, die aus Hessen, aus Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen stammten.
      Der Marktort Rimbach mit seiner Marien-Wallfahrtskirche konnte zwar 1420 zerstört werden, die Burg selber aber erwies sich als uneinnehmbar, wovon auch in einem „Ritterroman“ über die Auseinandersetzung von 1473 zwischen dem legendären Werner von Hanstein und dem unredlichen Rusteberger Oberamtmann Heinrich von Schwarzburg erzählt wird. Als Raubritter und „Schnapphähne“, wie die Hansteiner oft rasch abgestempelt werden, sollte man diese jedoch nicht bezeichnen, wenngleich sie wohl bei der Wahrnahme ihrer Pflichten und Rechte im Auftrag der Mainzer Landesherren nicht immer feinfühlig und friedfertig agierten.

      Weil die Hansteiner zugunsten eines angenehmeren Lebens in neu erbauten Gutshäusern, zum Beispiel in Unterstein, Werleshausen, Wahlhausen, oder auch Ershausen, bis zum 17. Jahrhundert ihre Stammburg verlassen hatten, wurde diese im Dreißigjährigen Krieg nicht verteidigt und entging so der Zerstörung. Zur malerischen Ruine verfiel sie dann durch Natureinflüsse und infolge unkontrollierter Baumaterialentnahme.

      Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten die wanderfreudigen, kunstsinnigen Göttinger Studenten die prachtvolle gotische Burgruine, welche aus dem Bundsandsteinuntergrund herauszuwachsen schien und stillten hier romantische Sehnsüchte nach einem anscheinend glücklicheren Leben in verflossener Ritterzeit.

Burg Hanstein
Burg Hanstein

Zu den später berühmt gewordenen Burgbesuchern des 19. Jahrhunderts zählten Alexander von Humboldt, die Brüder Grimm, Heinrich Heine, Robert Koch, Otto von Bismark und schließlich Theodor Storm. Carl Duval schwärmte 1845 in seiner romantischen Eichsfeldbeschreibung von der Burg, „die gleich dem Gespenst eines geharnischten Ritters“ vor ihm aufstieg.

40-jähriges Schicksal als deutsch-deutsche Grenzburg

Der Familienverband von Hanstein, der inzwischen seine Traditionen stärker zu pflegen begann, ließ 1838/40 einen neuen Palas mit Rittersaal für die alljährlichen Zusammenkünfte über freigelegten Kellern erbauen und sorgte zwischen 1904 und 1915 eifrig für die Erhaltung und Wiederherstellung einzelner Burgteile. Die 600-Jahrfeier der Burg gestaltete der Familiensenior, Generalleutnant Carlo von Hanstein, 1908 mit prominenten Gästen als „Jubelfeier“ zum krönenden Höhepunkt der jüngeren Familiengeschichte und zu eindrucksvoller Werbung für das beliebte Wanderziel, allerdings in vergeblicher Erwartung Kaiser Wilhelms II. Dessen Gemahlin Auguste Viktoria spendete dann 1912 jedoch großzügig für die neue Doppelturmanlage der Rimbacher Kirche.
      Zunehmend bedrückende Stille verbreitete sich um die vielbesuchte Burg, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Wanfrieder Abkommen 1945 unmittelbar an die Demarkationslinie zwischen sowjetischer und amerikanischer Besatzungszone geriet und ab 1949 westlichste Grenzburg der DDR wurde.
      1952 standen noch 20.000 Mark für denkmalpflegerische Arbeiten zur Verfügung, doch schon ein Jahr später waren dann Eichsfelder Schulklassen die allerletzten offiziellen Besucher der Burg, nachdem zuvor auch die Absicht, hier eine Jugendherberge einzurichten, aufgegeben worden war. Belebt war für zwei Jahrzehnte nur der Nordturm, den Grenzposten wegen dessen weitreichender Aussicht befehlsgemäß besetzt hielten.

Erhaltung und Wiedereröffnung eines Eichsfelder Wahrzeichens

1985 konnten auf Grundlage einer denkmalpflegerischen Zielstellung endlich substanzerhaltende Baumaßnahmen an der in vielen Teilen stark gefährdeten Burg begonnen werden, welche von Denkmalpflegern des Kreises Heiligenstadt initiiert, organisiert und von eichfeldischen Bau-, Zimmerer- und Dachdeckerfirmen ausgeführt wurden. Dafür stellte der Bezirk Erfurt jährlich 150.000 Mark zur Verfügung. Mit einem Hubschrauber wurden sogar am 3. Oktober 1986 tonnenschwere Stahlträger zur Burg transportiert.
      Als unerwartete Krönung gestaltete sich nach fünf Jahren engagierter, problemreicher Arbeit die Grenzöffnung am 12. November 1989, als Hunderte Eichsfelder und die ersten Gäste aus Hessen und Niedersachsen auf der Burg begrüßt wurden. Ihnen folgten jährlich bis zu 100.000 Besucher, welche sich außerordentlich beeindruckt vom jahrhundertealten gotischen Baudenkmal sowie dessen reichen Details fühlen und dessen Geschichte zumindest erahnen.


Autor Josef Keppler ist Ortschronist von Lindewerra, Heimatforscher und Kenner des Hansteins.

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